Warum gibt es im Betzenhauser Mühlbach keine Forellen mehr?

Früher, bis zur Mitte der sechziger Jahre, gab es, so wird erzählt, im Mühlbach ein reiches Tierleben. Forellen waren so zahlreich, daß man sie mit der Hand fangen konnte. Auch für die Jugend in Betzenhausen und Lehen war das Gewässer ein beliebtes Badegewässer. Heute finden sich in dem kleinen Bach kaum größere Tiere und auch als Badegewässer taugt es nicht, vielleicht ausgenommen ein kurzer Abschnitt beim Rasensportplatz der Eintracht, der von kleinen Kindern als Abenteuerplatz genutzt wird. An Fischen findet man nur kurz vor der Mündung in Lehen ein paar Döbel, eine sehr anspruchslose Fischart. Wieso diese Veränderung? Nun, um es kurz zu sagen: Beim heutigen Mühlbach handelt sich um ein ganz anderes Gewässer, das wieder teilweise im alten Bett fließt. Und das kam so:

Der ursprüngliche Betzenhauser Mühlbach oder genauer der Betzenhausen-Lehener Mühl- oder Mühlebach war ein alter Runzbach, ein Wasserkanal als Energiequelle für Fabriken und zum Wässern von Wiesen. Noch 1941 trieb er drei Wasserräder an: in Betzenhausen das Rad der Firma W. Beck, die Polsterwatte herstellte, das Rad der Mühle K. Messerschmidt, deren Gebäude heute noch an der Dietenbachstraße zum sehen ist, sowie in Lehen das Wasserrad der Firma Zahoransky, die Maschinen zur Bürstenherstellung fabrizierte. Etwa 15,5 ha Wiesenfläche wurden durch den Bach gewässert. Die mit einem Eingangswehr versehene Abzweigung aus der Dreisam lag im Bereich der heutigen Zufahrt zum Autobahnzubringer Mitte in Höhe der Berliner Allee. Der heutige Verlauf ab etwa der Anne-Frank-Schule entspricht dem damaligen, Verlauf. Zusätzliche Wassermengen kamen über einen Stichkanal aus der Eschholz- und der Metzgergrün-Runz. Der Mühlbach wurde auch als Vorfluter für den Überlauf von Mischwasserkanälen, besonders im Bereich von Lehen, genutzt. Allerdings war dieses Gewässer einiges stattlicher als heute. Des Bett war auf eine Breite von 4 m und eine Tiefe von 1,5 m ausgemauert. Die Fallhöhe der Mühlräder betrug je 80 cm!

Mit der Zeit verlor der Mühlbach seine Funktion, die Fabriken benutzten andere Energiequellen, die Wiesenbewässerung verlor an Bedeutung. So verkam der Bach. In der Mitte der sechziger Jahre war man beim Bau des Zubringer-Mitte, der den Lauf des Runzkanals kreuzte, der Meinung, daß der Einlauf geschlossen werden „mußte“, wie in den Akten zu lesen ist. Der Auslaß aus der Dreisam wurde also geschlossen und ist heute nicht mehr sichtbar, die oberen 200 m verfüllt. Es war geplant, den ganzen Lauf trockenzulegen und zu verfüllen, es lag sogar schon die wasserrechtliche Genehmigung vor. Daß dies nicht geschah, lag an den Wasserrechten der Runzmitglieder, die so einfach nicht übergangen werden konnten. Doch was für ein Gewässer war das?

Die geringe Wassermenge aus der Eschholz-Metzgergrünrunz verdunstete im Sommer rasch, der Unrat aus den Kanalüberläufen blieb liegen. So entstanden stinkende Kloaken und Tümpel, in die weiterer Unrat hineingekippt wurde. Ein unhaltbarer Zustand! Es entstand eine Initiative des Ortschaftsrat Lehen, des Bürgervereins Betzenhausen-Bischofslinde sowie einiger Stadträte des Freiburger Westens. Der Bach sollte renaturiert werden. Dies wurde auch durch den Stadtrat als Ausgleich zum Bau der Paduaallee genehmigt. Die Planung zeigte sich als schwierig. Ein neuer Auslaß aus der Dreisam scheiterte vor allem an der Lage der Erdgasleitung. So wurde eine andere Lösung mit einer deutlich geringeren Wasserführung realisiert. Das ist nun unser neuer Mühlbach: Er ist der 7 Endlauf des Gewerbekanal-Süd.

Das Wasser wird nun in Höhe des Sandfangs ausgeleitet und fließt dann als Gewerbekanal bis zur Höhe Martinstor, wo ein Schieber ihn in einen nördlichen und südlichen Schenkel teilt. Der südliche Schenkel fließt zum großen Teil unterirdisch verdohltentlang der Metzgerau unter der ehemaligen Universitätsbibliothek hindurch, am Glacisweg vorbei zur Faulerstraße. Wenig nördlich der Dreisam wird die Bahnlinie unterquert, um in der Kanalstraße wieder zu erscheinen. Von dort teilt er sich in die verschiedenen Gewässer zwischen Ferdinand-Weiß-Straße und technischem Rathaus. Das Wasser, das nicht verdunstet oder sonst irgendwie verloren geht, wird unter der Berliner Allee gesammelt und erscheint nun als Betzenhauser Mühlbach hinter der Anne-FrankSchule. Da die Wasserführung deutlich geringer ist als früher, ist das Bachbett verkleinert worden, damıit in warmen Sommern nicht das gesamte Wasser verdunstet.

Der neue Bachlauf war 1987 noch nackt und öde. Doch bald fand sich eine erste Bachpatenschaft. Die Mädchen der St. Georgs-Pfadfinder in Lehen übernahmen von 1989-
1991 die Patenschaft über den gesamten(!) Bachlauf ab Betzenhausen. Sie bepflanzten das Ufer und hegten und pflegten den Bewuchs. Leider verschlug es die Jugendlihen bald in alle Himmelsrichtungen, sodaß dieses Engament einschlief. Erst in den letzten Jahren kümmern sich Schülerinnen und Schüler der Anne-Frank-Schule um das Bachstück im Bereich des sog. Biotops sowie des angrenzenden Gebietes. Auch eine Gruppe von ehemaligen Anne-Frank-Schülerinnen ist in diesem Bereich sehr aktiv. Das Ganze hat jetzt in die offizielle übernahme der Bachpatenschaft durch die Schule in diesem Bereich gemündet. Die heutige Aufgabe besteht weniger ım Neupflanzen von Gewächsen, sondern im Kurzhalten von Neophyten, von eingewanderten Pflanzen, die durch ihr schnelles Wachstum die anderen Pflanzen unterdrücken, aber durch ihr geringes Wurzelwerk das Ufer nicht befestigen können, sowie dem Entfernen von Unrat und Garten- und anderen Abfall, den gewisse Leute glauben, dort entsorgen zu müssen .

Trotz der geringeren und dadurch auch störungsanfälligen Wasserführung wäre eine dauernde Wiederbesiedlung des Bachs durch Fische und andere sauerstoffbedürftige Tiere möglich. Das größte Hindernis außer der Verschmutzung durch Uneinsichtige ist die 14tägige Bachabschlagszeit im Oktober. Diese ist notwendig für Kontrollen und Reparaturen am Bett des Gewerbekanals. Durch die lange Zeit der Trockenlegung verliert das Wasser in den als Rückzugsräume verbleibenden Tümpeln den Sauerstoff
und deshalb verenden alle diese Wesen. Zur wirklichen Renaturierung des Mühlbachs wäre deshalb eine deutliche Verkürzung des Bachabschlags nötig, eventuell auch auf mehrere kurze Intervalle verteilt. Dann hätten auch wir wieder die Chance, im Betzenhauser Mühlbach Forellen zu sehen.


Ein Beitrag des KuGe in Bürgerblättle Ausgabe 146 (Sept.-Nov. 1998)

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