Die hölzerne Stadt
Das Landesdurchgangslager für Flüchtlinge
Freiburg war am 21. April 1945 von der französischen Armee besetzt worden. Schon wenige Tage später, am 15. Mai, befahl der Chef der französischen Militärregierung, Generalleutnant Montel, die Errichtung eines Internierungslagers für politische Gefangene. Es sollte 3000 Personen aufnehmen können, davon 500 Frauen. Die Bretterbaracken sollten Schlafräume, Essräume, Lazarett und sanitäre Räume enthalten. Für jeden Gefangenen war ein Holzbett mit einem Strohsack und einer Decke vorzusehen. Umgrenzt werden sollte das Lager mit einem doppelten Stacheldrahtzaun von 3 Metern Höhe mit Wachtürmen in jedem der 4 Ecken. Der Ort, der außerhalb der Stadt, in einem Umkreis von höchstens 10 km liegen sollte, musste binnen 48 Stunden bestimmt werden, die Bauarbeiten bis spätestens 30. Juni beendet sein.
Aus Schleswig-Holstein und Dänemark kamen viele der Flüchtlinge nach Südbaden. Sie waren über die oder entlang der Ostsee nach Westen geflohen und dort gestrandet. Mit insgesamt weit über 1 Million Flüchtlingen waren diese Länder hoffnungslos überfordert. Eine zweite größere Gruppe waren die Banater Schwaben und die Sudetendeutschen.
Im Jahre 1950 lebten schon 4000 Flüchtlinge im Lager, bis zu seiner Auflösung sollten es über 35.000 sein. Man kann nicht sagen, dass diese Heimatvertriebenen der Bevölkerung willkommen waren. Mit Argwohn betrachteten die Freiburger die Neuankömmlinge, immer darauf bedacht, dass diese nicht gegenüber ihnen und den 7000 Obdachlosen in der Stadt „bevorzugt“ werden könnten. Aus dem Landesdurchgangslager wurde der Stadt Freiburg ein Kontingent von 3000 Personen zur Aufnahme zugeteilt. Doch wohin damit?
Da Anfang der 1950iger Jahre mehrere Kreisdurchgangslager, so zum Beispiel in Kirchzarten und Eichstetten am Kaiserstuhl, errichtet worden waren, konnte die Stadt Freiburg einige Baracken des Landesdurchgangslagers vom Land übernehmen. Diese wurden gegenüber dem restlichen Lager mit einem Zaun abgetrennt, so dass zu dem äußeren jetzt noch ein zweiter Zaun kam.
Diese anfänglich 4, später 6 Baracken wurden nun in kleinere Wohneinheiten aufgeteilt, insgesamt 17 pro Baracke. Jede Familie hatte ihre eigene Kochstelle. Trotzdem war allen Beteiligten bewusst, dass dies keine Dauerlösung sein durfte. Nach dem Vorbild von Donaueschingen, Villingen und anderen Städten beschloss die Stadt Freiburg, mit Hilfe von gemeinnützigen Baugesellschaften Wohneinheiten zu bauen. Sie sollten für einen Zeitraum von 5 Jahren als Flüchtlingslager angemietet werden, um danach als reguläre Wohnungen zu dienen. Das Land förderte dieses Programm.
So baute die Kreisbaugenossenschaft, die spätere Gebau Süd, die Häuser Lehener Straße 101, 103, 105, 107 und 115 mit insgesamt 100 Wohnungen. Jede Familie bekam ein Zimmer in einer Dreizimmerwohnung zugewiesen. Bei Bezug bis 1959 lebten 1100 Personen in den 100 Wohnungen. Das Barackenlager konnte geschlossen werden.
Einige der Baracken erlebten jedoch eine weitere Karriere. Mit Schließung des Landesdurchgangslagers zogen sich Stadt und Land aus der Sozialbetreuung zurück, so als ob nun alle Probleme gelöst worden wären. Diese Lücke wurde glücklicherweise von der Garitas geschlossen, die in der ehemaligen Baracke Nr. 13 ein Sozialzentrum mit Kindergarten, Jugendbegegnungsstätte und Beratungsstelle einrichtete. Später diente dieses Gebäude als Kirche der evangelischen Gemeinde Markus-West, bis sie die heutige Matthäuskirche beziehen konnte. Die ehemalige Lagerkirche wurde nach Vörstetten versetzt.
Dr. Thomas Hammerich
Ein Beitrag in Bürgerblättle 192, Okt.-Nov. 2008
Der Text ist dem Buch „100 Jahre Betzenhausen bei Freiburg“ entnommen.